Innerhalb der Holzbauten des Lagerdorfes konnten insgesamt 13 Brunnen oder Zisternen untersucht werden, deren Holzverschalung teilweise in den tieferen Bereichen noch vorzüglich erhalten waren. Durch diesen Erhaltungszustand sind wir in der glücklichen Lage, für die Brunnen mit Holzverschalung heute absolute Baudaten durch die Dendrochronologie anzugeben.
Jahresringdaten der römerzeitlichen Eichenbauhölzer aus Rainau-Buch als PDF-Datei.
Wie die dendrochronologischen Untersuchungen aber auch die Befunde selbst zeigten, waren die Brunnen unterschiedlich alt und waren teilweise früher schon aufgegeben worden. Dies ließ sich nicht zuletzt auch anhand der Verfüllung der Brunnenschächte nachweisen. Manche Brunnen waren völlig steril verfüllt und enthielten keinerlei Fundmaterial. Wieder andere Brunnen besassen brandschutthaltige Verfüllung mit reichem Fundmaterial.
Wie die dendrochronologischen Untersuchungen durch B. Becker vom Botanischen Institut der Universität Stuttgart-Hohenheim ergaben, sind die Brunnen 10 und 11 die ältesten in dem von uns untersuchten Bereich, die durch die Dendrochronologie datiert werden konnten. Die Bauhölzer dieser Brunnen wurden um 160 + / - 10 n. Chr. gefällt. Ein Datum, das wir in gleicher Form aus der zweiten Bauphase der Principiavorhalle von Aalen her kennen.
Absolut datiert sind die Brunnen 2 und 9, deren Hölzer im Jahre 160 n. Chr. gefällt worden sind. Der jüngste Brunnen ist Brunnen 7, dessen Hölzer 229 n. Chr. gefällt worden waren. Wie aber interessanterweise Hölzer aus der Verfüllung des Brunnens 13 zeigen, liegen hier Hölzer vor, die aus den Jahren 244, 246, 261 +/- 10, wahrscheinlich nicht später als 250 -255 geschlagen worden sind. Durch die Dendrochronologie besitzen wir hier im Lagerdorf von Buch einen weiteren Hinweis, dass das Lagerdorf bis spätestens 260 n. Chr. bestand und nicht, wie schon vielfach angenommen, früher aufgegeben wurde.
In vielen Brunnen fanden sich Holzgegenstände der verschiedensten Art, u. a. Leiterteile, Wagenteile, hölzerne Griffe der verschiedensten Form, daneben Bauhölzer verschiedener Art, angeschnitzte Pflöcke, Schindeln, Eimer und Fassdauben, die teilweise Brandspuren aufweisen und schliesslich eine ganze Anzahl von Kienspänen, die offenbar für die Beleuchtung der Häuser gedient haben. Einige Brunnen ragen hier besonders heraus.
Der Brunnen 9, dessen oberer Bereich stark mit kleehaltigem Boden verfüllt war, enthielt in den tieferen Schichten bemerkenswert stark angebrannte Hölzer, Ziegel- und Steinmaterial, was ohne Zweifel auf eine Brandkatastrophe hinweist. Die Holzverschalung dieses Brunnens war völlig vergangen. Sie konnte bis in eine Tiefe von 6,9 m nachgewiesen werden. Von hier ab war der unterste Teil der Zisterne rund. Die Sohle wurde bei 10,5 m erreicht. Eine starke Wasserschüttung in den tieferen Bereichen des Brunnens erschwerte die Bergung der auf der Sohle liegenden Gegenstände. Zunächst ist der erste fast vollständig erhaltene römische lnfanteriehelm in unserem Lande zu nennen.
Es handelt sich um einen aus relativ dünnem Bronzeblech getriebenen Helm mit breitem Nackenschutz und kreuzförmiger Verzierung auf der Helmkalotte, die aus dem Blech herausgetrieben wurde. Die beiden ungleich gestalteten Wangenklappen lassen sich vorne am Kinn verschliessen. Einige Details, wie etwa die unfertige Bearbeitung der rundlichen Bereiche des Nackenschutzes und die ungleiche Ausgestaltung der verzierten Wangenklappen lassen vermuten, dass der Helm unfertig in den Brunnen gelangt ist.
Bei diesem heute infolge der sog. Moorpatina goldglänzenden Helm handelt es sich um eine Variante des Typus Niederbieber, die im späten 2. und frühen 3. Jahrhundert nachweisbar ist. Besonders zu beachten sind einige Einschlagstellen an der Helmkalotte, die von aussen erfolgt sind und möglicherweise darauf hindeuten, dass dieser Helm in unfertigem Zustand getragen worden ist. Das nicht fertig gewordene Stück könnte ein Hinweis dafür sein, dass in der Umgebung des Fundortes, vielleicht im Lagerdorf selbst, eine Fabrikation derartiger Schutzwaffen zu lokalisieren ist. Neben diesem Helm lag auf der Sohle des Brunnens ein zusammengewickeltes Kettenhemd, das aus Tausenden von kleinen Eisenringen hergestellt wurde.
An vielen Kastellplätzen besitzen wir Einzelfragmente von diesen Kettenhemden, doch so grosse Stücke sind bisher ganz selten. Leider ist es trotz modernster Restaurierungsmethoden nicht möglich, dieses Kettenhemd zu restaurieren und wieder auseinander zu wickeln, um wichtige Details zur Tragweise des Kettenhemdes nachweisen zu können. Auch das dritte Fundstück aus diesem Brunnen stellt ein Unikum dar.
Es handelt sich hierbei um eine etwa 20 cm hohe Holzplastik, die die Hand eines geschulten Bildhauers verrät. Die Figur steht auf einem runden Sockel und zeigt einen buckligen, bärtigen Mann, der einen aus grobem Material hergestellten Mantel und einen kurzen gefalteten Rock trägt. Unter dem Rock ragt der übermässig betonte Phallus heraus, der, wie die Details zeigen, sekundär eingesetzt wurde und deutliche Brandspuren besitzt. Offenbar wurde der Phallus später erneuert. Der Mann, dessen tief liegenden Augen wohl mit organischem Material eingelegt waren, trägt auf der Schulter einen ovalen Wollballen.
Die Holzfigur ist im übrigen mit bronzenen Nägeln, von denen noch einige erhalten sind, zusätzlich verziert. Da wir bisher aus den nördlichen Provinzen des römischen Weltreiches nur vereinzelt Holzfiguren kennen, zeigt gerade unser Bucher Männlein, wie vielfältig derartige Bildwerke gewesen sein müssen. Die Deutung dieser unseres Wissens bisher einmaligen Figur ist schwierig. Wir dürfen wohl in dieser Darstellung die groteske Figur eines Lastenträgers sehen. Derartige Karikaturen finden wir immer wieder in hellenistischer und römischer Kleinplastik, die uns insbesondere auch aus römischer Zeit überliefert werden.
Die drei Brunnen, auf deren Sohle umfangreiche und wertvolle Funde gemacht worden sind, zeigen klar, dass sie bis zur Aufgabe des Kastelldorfes benutzt wurden. Die heute noch ungewöhnlich starke Wasserzufuhr und die brandschutthaltige Verfüllung sind Zeugen dafür, dass sie in einer unruhigen Zeit aufgegeben werden mussten und nach erfolgter Brandschatzung mit Brandschutt, Bauschutt u. ä. verfüllt worden sind.
Zweifellos sind diese Fundkomplexe Schatzfunde, die in den Brunnen im 3. Jahrhundert abgelegt worden sind. Es handelt sich hierbei vor allen Dingen bei dem Fund aus Brunnen 7 um wertvolle Gegenstände, die z. T. auch im kultischen Bereich verwendet worden sind.
Erzeugnisse aus italischen Werkstätten, wie etwa die Kanne mit kleeblattförmiger Mündung, die man auch als Trifoliarkanne benennt, und die Kanne mit enger Mündung gehören wie die anderen Bronzegefässe zum Besitz einer wohlhabenden Familie. Sie wurden im Zusammenhang mit den grossen Alamanneneinfällen im 3. Jahrhundert an sicherem Ort auf der Sohle des Brunnens abgelegt und wurden nicht mehr gehoben. Möglicherweise dürfen wir darin einen Hinweis sehen, dass der Besitzer dieses Gefäßes vertrieben wurde und nicht mehr an seinen Wohnort zurückkam oder in den Wirren dieser Auseinandersetzungen starb.
Schatzfunde bilden zu allen Zeiten der Geschichte Zeichen für unruhige, ja kriegerische Auseinandersetzungen. Es sei hier nur erinnert an die zahlreichen Schatzfunde des Mittelalters, der frühen Neuzeit bis hin zu derartigen Schatzfunden aus der Zeit des 2. Weltkrieges.